Hundeknigge: „Füttern verboten!“

Verspürst du, sobald du einen Hund siehst, den tiefen Drang, ein Leckerchen auszupacken und das süße Tierchen zu verwöhnen? Egal, ob der Hund Bekannten oder Fremden gehört? Falls es nur beim Drang bleibt und du es schaffst, dich zu beherrschen: super! Falls nicht und du vielleicht sogar ohne Erlaubnis, geschweige denn Vorwarnung drauf los fütterst: Wir müssen reden.
Warum wollen Menschen Hunde füttern, die ihnen nicht gehören?
Vielleicht, weil sie sich beim Hund einschmeicheln möchten, um besonders von ihm gemocht zu werden? Damit der Anschein entsteht, sie hätten ein besonderes Händchen für Hunde? Vielleicht, weil sie dem Hund wirklich etwas Gutes tun wollen? Eventuell auch, um sich selbst so ein gutes Gefühl zu verschaffen? Vielleicht irgendetwas irgendwo dazwischen? Zugegeben, in dem Absatz hier stecken viele Unterstellungen drin. Deshalb zur Beschwichtigung nochmal eine kleine Beichte von mir: Ich hätte vor wenigen Jahren auf wirklich jede dieser Fragen mit Ja antworten müssen. Dieses unangenehme Eingeständnis hat mich dann sowohl als Hundeliebhaberin als auch Trainerin zu einem ganz persönlichen Umdenken und Umfühlen bewegt. Mal abgesehen davon, dass ein noch so fremder Hund mich nicht schlagartig und für immer liebt, wenn ich ihn füttere. Er ist einfach heiß auf das Leckerchen. Und nachdem das inhaliert ist, ist auch genauso schnell wieder Schluss gemacht. Wahre Liebe hat eben nichts mit Bestechung zu tun.
Und nun: ein Perspektivwechsel auf die Haltersicht. Denn bei cloud4pets geht’s um Halter und deren Tiere, insofern werden hier vermutlich hauptsächlich Hundebesitzer weiterlesen.
Dein Hund, deine Regeln – das Wichtigste zuerst
Als Hundehalterin habe ich selbst schon viele Menschen abwimmeln oder ihnen auf frischer Tat ertappt sagen müssen, wie unschön ich gerade fand, dass sie meinem Hund einfach was zu Fressen gegeben haben. Die meisten davon übrigens selbst Hundehalter. Und auch, wenn ich durchaus auf viel Verständnis und Einsicht stoße, so wird mir auch oft Unverständnis oder gar so etwas wie Gekränktheit oder Ärger entgegengebracht. Das stößt wiederum bei mir auf Unverständnis – denn die einzige Person, die über ihren Hund zu entscheiden hat, ist der Halter selbst. Viele Menschen sehen Hunde, egal ob freund oder fremd, offenbar als Allgemeingut an,
- die man nach eigenem Gutdünken füttern darf
- die man einfach anschnalzen oder ansprechen darf
- die man jederzeit und überall anfassen darf.
Dürfen sie aber nicht. Zumindest nicht, wenn Frauchen oder Herrchen das nicht will und nicht erlaubt. An dieser Stelle mein Tipp an euch: Setzt euren Mitmenschen klare Grenzen. Sagt ihnen deutlich, was ihr ihnen in Bezug auf euren Hund erlaubt und was tabu ist. Und es ist egal, ob es sich dabei um die beste Freundin, Onkel Norbert, die Lieblingsnachbarin oder den fremden Spaziergänger im Park handelt.
Menschliche Futterautomaten und ihre Nebenwirkungen
Viele mögen jetzt vielleicht denken „aber was ist denn schlimm daran, einem Hund eine Freude machen zu wollen“? Ganz einfach: Schlimm daran ist, dass die dadurch entstehenden Nachteile ggf. diese sehr kleine und kurze Freude enorm überschatten. Wirtschaftlich ausgedrückt: der Kosten-Nutzen-Faktor wurde mit dem Leckerchen gleich mitgefressen. Zack, weg. Warum?
Wo Hundenasen garantiert nicht reingehören
Weil eine gezielte Erwartungshaltung gefördert wird, die fortschreitend zu distanzlosem, unerwünschtem Verhalten beim Hund führen kann. Je nachdem, wie es um die Be- und Erziehung des Mensch-Hund-Teams steht – Zwischeninfo: es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen – und inwieweit der Mensch den Hund in seinem konditionierten Futterwahn bremsen kann oder nicht, kann das ganz schön nach hinten losgehen. Etwa, wenn ein Hund, der gelernt hat, dass die Jackentaschen von Menschen ein wahres Paradies an Leckereien sind, plötzlich die Nase in der Tasche einer wildfremden Person stecken hat. Die er noch nie zuvor gesehen hat. Und die das vielleicht gar nicht gut findet.
Knabbereien killen Kommunikation
Bei Hunden hat gerne mal das Hirn einen Kurzschluss, wenn sie Futter vor Augen haben oder aufgrund gefestigter Verknüpfungen die Erwartung auf Futter in die Höhe schnellt. Ergebnis:
- Der eine oder andere Hund wird so ungewollt in die Unansprechbarkeit trainiert
- Das Miteinander von Hund und Halter wird ggf. kurzfristig gestört
- Fremde Menschen werden unverhältnismäßig wichtig gemacht
Man kann natürlich jetzt sagen „Ja, dann muss der Besitzer eben mehr am Gehorsam arbeiten!“ Muss er nicht. Abgesehen davon, dass ich den Begriff „Gehorsam“ so gar nicht mag: Der Besitzer muss für sich und seinen Hund entscheiden, was für beide förderlich und stimmig ist.
Fairness ist die größere Freude
Die Erwartungshaltung, die durch ständiges Füttern durch alle möglichen Personen entsteht, und damit das Betteln können auf unangenehme Dimensionen anschwellen:
- vom traurigen Hundeblick („aber wie soll man denn da nein sagen?!“)
- über Schnauze auflegen bis Anstupsen („süüüß“)
- bis hin zum Verfolgen („liebt mich so sehr“)
- und letztendlich zum ruppigen Bodycheck – der sogar schonmal den einen oder anderen Menschen zu Fall gebracht haben soll („böser Hund!“).
Der Hund ist dabei alles andere als entspannt und es wird ihm durch den hier besprochenen Rattenschwanz an Konsequenzen nicht wirklich eine Freude gemacht. Womöglich wird dem Hund dann noch ordentlich der Marsch geblasen, wenn er plötzlich öfter in seinem Verhalten nicht gut zu bremsen ist. Ein Verhalten, das von seinem Menschen Schritt für Schritt gefördert wurde. Ist das fair?
Stirb, Fremdbettler!
Auch darf das Thema Ressourcenverteidigung nicht unerwähnt bleiben. Gerade, wenn Hundehalter untereinander wild umher füttern und mal ein neuer Hund dabei ist, der grundsätzlich bei Futter aggressiv auf andere Hunde reagiert, kann das mitunter blutig enden. Zum Beispiel, wenn Waldi, dem es stabil beigebracht wurde, sich überall seine Leckerchen einzufordern, sich mal forsch der Jackentasche von Bellos Frauchen nähert – und Bello mal eben zum Berserker wird. Da kann es auch mal so richtig eskalieren und zusätzlich zum Streit zwischen den Menschen kommen. Denn Bello hat schließlich angefangen und ist ein wahrlich böser Hund. Oder?
Wir feiern die Nächte durch, woohoo
Gerade beim unerlaubten Füttern von fremden Hunden kann der Vierbeiner sprichwörtlich an dem Leckerchen tagelang zu knabbern haben, falls er zu den Exemplaren mit Unverträglichkeiten gehört oder chronisch krank ist. Ein Bröckchen falschen Futters kann erhebliche Magen-Darm-Probleme mit Schmerzen verursachen. Eine mehrtägige Kot- und Kotzparty für ein Leckerchen, Nachtschicht für Herrchen oder Frauchen plus Päppeln und Darmsanierung – yay! Da hat es dann so richtig geklappt mit dem Tierliebhaber und seinem „Freude machen“.
Liebe geht nicht immer durch den Magen
Falls du Hundehalter bist und das ganze Thema noch gar nicht so auf dem Schirm hattest: Wähle mit Maß und Bedacht die Hand, die du deinen Hund füttern lässt.
Und falls du ein Mensch bist, der Hunden von anderen Leuten gerne eine Freude macht: Jetzt weißt du, dass das „Freude machen“ in Bezug auf Futter eine eher umstrittene Wortwahl ist. Es ist sehr schön, wenn du Hunde liebst! Das kann man aber auf viele Arten viel besser zeigen als über Leckerchen. Zum Beispiel
- indem man keine übergriffigen Fütterattacken an Hunden startet, die einem nicht gehören
- indem man die Bedürfnisse und Tabus von Hund und Halter respektiert
- indem man nicht beleidigt reagiert, wenn man ein freundliches „Nein“ zu hören kriegt
In diesem Sinne: Rücksicht und wahre Liebe für alle!
Martina, Hundetrainerin bei Kläffer & Smart