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Hundeknigge: Jagender Hund, scheißegal, schalala

cloud4pets Blog: Hundeknigge:  Jagender Hund, scheißegal, schalala
Das wäre doch ein cooler Refrain! „Jagender Hund? Scheißegal! Tiere in Angst? Scheißegal! Totes Wild? Scheißegal! – Hauptsache bequeeem! Schalala“ Vielleicht sollte Böhmermann mal ein Lied über Menschen machen, die mit einem leidenschaftlichen Jäger ständig im Freilauf durch Wald und Wiesen ziehen. Er hat so eine charmante Art, den Menschen in die Köpfe zu knallen und was zu erreichen. Leider sind unsere Connections zu Böhmi … äh … nicht existent, deshalb knalle ich selbst mal wieder ein Bisschen rum.

Es gibt tatsächlich gute Gründe, einen Jäger frei laufen zu lassen!

Und jeder einzelne dieser Gründe ist eine Ausrede.

„Der zieht so heftig an der Leine, deshalb läuft er frei!“, „Ohne Freilauf krieg ich den nicht müde!“, „Der kriegt das Reh sowieso nicht!“, „Ein Hund muss toben dürfen!“, „Früher oder später kommt der immer zurück!“, „Es ist noch nie was passiert!“.

Der Kosten-Nutzen-Faktor

Hm. Die pure Todesangst eines gejagten Tieres, gleich zerbissen und getötet zu werden – nicht so schlimm? In langem Todeskampf zu verenden, aufgrund einer Verletzung, die beim Gejagtwerden passiert ist – nicht so schlimm? Ein Erschöpfungstod, weil langes Gehetztwerden die körperlichen Kapazitäten übersteigt – nicht so schlimm? Unfälle, in denen Tiere und/oder Menschen zu Schaden kommen oder sterben, weil die Hetzjagd über Wege oder Straßen ging – nicht so schlimm? Ständig Verletzungen oder den Tod des eigenen Hundes zu riskieren – nicht so schlimm?

Hm. Einen Hund zu erziehen, so dass er locker an der Leine geht – voll schlimm? Mit einem Hund Impulskontrolle, Frustrationstoleranz und Kooperationsbereitschaft zu trainieren – voll schlimm? Sich gemeinsam mit dem Hund zu erarbeiten, dass man draußen gemeinsam und aneinander orientiert unterwegs sein und eine gute Zeit haben kann – voll schlimm? In risikoreichen Arealen die Schleppleine dran machen – voll schlimm? „Auslastungs“-Alternativen zum Freilauf nutzen – voll schlimm? Von dem Irrglauben wegkommen, Hunde müssten sich jeden Tag bis zur Erschöpfung müde machen – voll schlimm?

„Ich bin bequem, ich hol mir ’nen Hund!“

Ob der Hund jagt, weil es seine Genetik so will oder weil er Jagen als Ventil nutzt, ob er grundsätzlich gut kontrollierbar ist oder ob der Jäger für immer hart durchbrechen wird: das entbindet keinen Hundehalter von seiner Verantwortung. Bequemlichkeit auch nicht. Ignoranz auch nicht. Es gibt sogar Gesetze, die das Jagen klar verbieten. Ach was. Während ich den Schmähtext hier gerade verfasse, ist z.B. immer noch Brut- und Setzzeit. Und ich staune Tag für Tag Bauklötze, wie viele Menschen ihre Hunde freilaufen lassen, ohne dass der Rückruf stabil sitzt. Ob am Fremdhund, am leisesten Hauch einer Wildfährte, oder an der konkreten Wildsichtung. Da liegen Rehkitze manchmal unmittelbar im hohen Gras an Wegrändern. Maximal verwundbare und hilflose Lebewesen. Und unerzogene, reizsensible, dynamische, rückruflose Hunde laufen frei.

Aber ganz egal zu welcher Saison, der jagdambitionierte und nicht rückrufbare Hund gehört in bejagbaren Arealen an die Leine.

Fehler sind zum Lernen da

Nicht jeder Hund, der jagen geht, hat einen ignoranten Menschen an seiner Seite. Scheiße passiert und Fehler sowieso, Menschen sind keine Maschinen (Hunde übrigens auch nicht, auch wenn viele Menschen gerne so tun, als ob). Ein schlechter Tag, eine Unachtsamkeit, eine Fehleinschätzung, eine noch nicht gemachte Erfahrung – zack. Wenn alles gut ausgeht: einmal Fluchen, einmal Schütteln, wie es unsere Hunde tun, und aus dem Erlebten lernen. Unwissenheit, Irrtümer, Versehen sind nicht gleichzusetzen mit Ignoranz und Bequemlichkeit. Ich gestehe. Mein Hund hat auch schon einmal Rehe gejagt als Konsequenz einer geistigen Umnachtung – mea culpa. Und seitdem nicht mehr. Weil: Leine.

You can must do better!

Falls du jetzt denkst: „Wie ich mit meinem Hund spazieren gehe ist ja wohl meine Sache, da lass ich mir nicht reinreden!“ Nö, einfach nö. Deine Sache wäre es, wenn kein Lebewesen dadurch auch nur im Geringsten gestört wird. Ist aber nicht der Fall. Du riskierst Leben, und noch nicht einmal dein eigenes. Und das ist absolut nicht dein Recht.

In diesem Sinne: Respekt für und ein Recht auf Leben – für alle!

Martina, Hundetrainerin bei Kläffer & Smart

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