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Hundeknigge: Stadtfest, Wochenmarkt, Kirmes …

cloud4pets Blog: Hundeknigge: Stadtfest, Wochenmarkt, Kirmes …
Neulich besuchte ich ein Street Food Festival. Und war – wie so oft bei größeren Veranstaltungen – erstaunt und bedrückt, wie viele Menschen ihre Hunde mitnehmen. Hunde, die mit dieser Reizlage schwer bis gar nicht zurechtkommen. Klar, wie immer gibt es Ausnahmen, die die Regel bestätigen, und damit Hunde, die da relativ unbeeindruckt mitlatschen. Und dann gibt es Hunde, die entspannt aussehen, bei denen jedoch lediglich ein besonderer Mechanismus eingesetzt hat …

Was hat ein Welpe auf einem Street Food Festival verloren?

Auf oben besagtem Street Food Festival habe ich z.B. Menschen mit einem Welpen gesehen, der nicht älter als maximal 12 Wochen, eher jünger gewesen war. In den etwa drei Stunden meiner Präsenz bei diesem Event traf ich immer wieder auf das Gespann. Dieser junge Hund war bereits bei unserer ersten Begegnung sichtlich überfordert und schon längst nicht mehr ganz „da“. Seine Menschen schienen das nicht wahr-, geschweige denn ernst zu nehmen. Klar, kann man das jetzt auf die leichte Schulter nehmen und sagen, „wenn das nicht anders ging und mal ne Ausnahme war, daran stirbt ja kein Hund“. Nuja, dass ein Hund stundenlang leidet, finde ich schlimm genug. Und wenn es nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist, dann ist das richtig hart und meines Erachtens tierschutzrelevant.

Wieso, weshalb, warum muss ein Hund überall dabei sein?

Was ist der Grund, die Intention dahinter, einen Hund auf große Veranstaltungen mitzunehmen?

Ein Anfängerfehler, denn jeder Hundehalter muss mal bei Null anfangen? Und beim nächsten Event hat man dazugelernt und mutet seinem Hund nicht mehr den Supergau zu? Durchaus nachvollziehbar, niemand wird als Hundeprofi geboren.

Der Hund kann noch nicht alleine bleiben, es gibt noch keinen Aufpasser, also muss er halt mit? Weil, den Spaß möchte man sich nicht verderben lassen, nur weil man jetzt ein Hund hat? Schade, hoffentlich bleibt es nicht allzu lange bei dieser Einstellung.

Der Hund soll sich schnellstmöglich an solche Situationen gewöhnen, weil man ihn immer und überall dabei haben will? Hm, leider kontraproduktiv und schädlich, das auf diese Art und Weise zu „trainieren“. Darauf werde ich gleich eingehen.

Die Intentionen sind natürlich immer verschieden und selten liegt ihnen eine niederträchtige Absicht zugrunde. Dennoch ist es oft eine stundenlange Qual für die Hunde, die das nicht oder nur schwer aushalten.

„Ich fahr in den Europapark, um für meine Klausur zu lernen“

Würde kein Mensch machen, oder? Warum bringen Menschen dann ihre Hunde in die totale Reizüberflutung, um etwas zu üben? Natürlich ist es löblich, mit dem Hund den Umgang mit allerhand Situationen und Reizumgebungen zu trainieren. Allerdings ist es sinnvoll, sich als erstes zu fragen: Muss mein Hund wirklich alles können? Kann ich denn alles und ist das natürlich? Warum muss mein Hund überall dabei sein? Hat er nicht mehr von einem guten Alleinbleibtraining und einer ordentlichen Mütze Schlaf, während ich mich da draußen ins Erlebnis stürze?

Und dann muss die Reizlage dem Niveau und den Kapazitäten des jeweiligen Hundes angepasst werden – und nicht andersherum. Beispiel: Genau so wenig, wie ich in den Europapark fahre, um für eine Klausur – oder mein Kind für die Mathearbeit – zu lernen, gehe ich mit einem Welpen oder meinem Hund, der bisher noch wenig kennen gelernt hat, in die pralle Stadt trainieren. Bestenfalls lege ich meinen Trainingsschwerpunkt erst einmal darauf, den Hund überhaupt einmal kennen zu lernen, ihm in seinem neuen Zuhause mit seinem neuen Menschen Sicherheit zu vermitteln. Und wenn da eine gute Basis erarbeitet ist, kann ich mit der kleinstmöglichen Reizlage beginnen und aufbauend trainieren. Hunde lernen nicht in völliger Entspannung, aber noch weniger in definitiver Überforderung! Das gilt natürlich generell für alle Hunde, nicht nur für die, die neu eingezogen sind …

„Aber mein Hund ist nach anfänglicher Aufgeregtheit totaaal entspannt bei sowas!“

Ist er das wirklich? Falls du deinen Hund gerne in anspruchsvolle Reizlagen mitnimmst, er anfangs deutlich zeigt, dass er sich unsicher, unwohl, überfordert fühlt und nach einer gewissen Zeit vermeintlich entspannt neben oder hinter dir her trottet, kann es sein, dass einfach ein besonderer Mechanismus gegriffen hat: Die Effektor-Ermüdung. Diese setzt ein, wenn der Organismus eines Hundes nicht mehr fähig ist, auf die Masse an Reizen zu reagieren. Hier findet mit Sicherheit kein Lernen statt und wenn, dann in die falsche Richtung. Mit Sicherheit befindet sich der Hund jedoch in einem miserablen Zustand, der dringend vermieden werden sollte.

Eine Auszeit tut jedem mal gut – auch deinem Hund

Auch, wenn du der Meinung bist, dein Hund wolle immer bei dir sein und überall mit hin: Hunde sind nicht für alles geschaffen, was Menschen toll und spannend finden. Selbst, wenn sie so aussehen, als hätten sie Spaß. Wie ich schon des Öfteren in dieser Blogartikelreihe schrieb, haben Hunde Konfliktstrategien, die äußerst charmant sind und teils für uns Menschen nach Freude aussehen. Dabei möchten sie vielleicht „gut Wetter machen“, damit es nicht noch schlimmer für sie wird. Das gilt nicht nur für Begegnungen mit Artgenossen, sondern für allerhand Situationen, mit denen wir Menschen sie einfach überrollen. So wäre es oft besser für den Hund, wenn er in der Zeit, in der wir sehr reiz-volle Menschendinge unternehmen, einfach in Ruhe daheim schlafen könnte. Und es ist überhaupt keine Schande, den Hund zuhause zu lassen und ohne ihn Spaß zu haben (sofern er kein Problem mit dem Alleinsein hat). Ganz im Gegenteil.

Den Hund mal Hund sein lassen

Diesen Satz höre ich von Hundehaltern sehr oft. Teils im Zusammenhang mit Situationen und Verhalten, die eben nicht typisches Hundsein widerspiegeln. Wie etwa 50 Mal hintereinander stupide einem Ball hinterherzurennen. Oder dauernd mit wildfremden Hunden „spielen“ zu müssen. Zum Hundsein gehört hingegen möglichst viel ruhen und schlafen. Das heißt natürlich nicht, dass den Hunden gar nichts mehr zugetraut oder auch mal in adäquatem Maße zugemutet werden darf. Fordern und fördern ist wichtig. Wie heißt es so schön: Die Dosis macht das Gift. In diesem Sinne: Statt Überdosis bei jeder Gelegenheit – gönnt euren Hunden Auszeiten, besonders von der reizüberfüllten Menschenwelt.

geschrieben von Martina, Hundetrainerin bei Kläffer & Smart

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